Berufsbezeichnungen in der PR-Branche

presseprecher: Herr Schuhmann, welche Rolle spielen Jobtitel bei Ihren Karriere-Coachings?

U. Schuhmann: Coachees versuche ich dafür zu sensibilisieren, bei Karriereüberlegungen den Blick weniger auf Titel zu richten, als sich vielmehr an Inhalten und Verantwortlichkeiten zu orientieren.

Lassen sich Jobsuchende tatsächlich gute Angebote entgehen, nur weil das falsche Etikett auf der Position klebt?

Das kommt vor. Ein „Senior-Manager“ ist nur schwer für einen Job mit dem Titel „Manager“ zu begeistern, auch wenn im neuen Unternehmen damit mehr Verantwortung verbunden sein mag und es den Senior-Titel dort gar nicht gibt. Die Skepsis der Jobsuchenden ist also nicht unberechtigt.

Warum das?

Es gibt aus meiner Sicht viel zu viele Personaler, die einen solchen Karriereschritt im Lebenslauf nach Titel und nicht nach Inhalten einstufen und ihn deshalb kritisch hinterfragen. Besonders deutlich wird es, wenn ein „Leiter“, der vorher alleine war und sich quasi selbst geleitet hat, plötzlich als „Senior“ beginnen soll. Personalentscheider neigen dazu, dies als Karriereknick einzuordnen. Aus meiner Sicht ein falscher, weil zu oberflächlicher Ansatz.

Wie kommen die HR-Abteilungen mit den PR-Berufsbezeichnungen denn zurecht?

Die sind die eigentlich Leidtragenden. Sie müssen sehr unregelmäßig Kommunikations-Positionen besetzen und sind mit der Heterogenität der Titel oft überfordert. Dazu kommt, dass auch die Jobinhalte nicht einheitlich sind. Was der eine unter „Corporate Affairs“ versteht, kann schon für das nächste Unternehmen ganz anderes bedeuten. Daher haben Anzeigen oft Jobtitel, durch die die eigentlich Gesuchten nicht angesprochen werden. Selbst für „Pressesprecher“ gibt es viele unterschiedliche Jobinhalte.

Und wie kommen Sie zurecht?

Dieses Problem gilt auch für uns. Wir haben deshalb eine eigene Systematik entwickelt, nach der wir Jobs so einordnen, dass die Titelbezeichnung weitgehend unberücksichtigt bleibt. Für uns gelten Auswahlkriterien wie Berufserfahrungsjahre, Grad der Eigenverantwortlichkeit, Nähe zum Management und direkte und  fachliche Teamführung.

Wie vergleicht man am besten die verschiedenen Stellenangebote?

Jobsuchende können bei der Bewertung ähnlich vorgehen wie wir. Orientieren Sie sich in erster Linie an den Inhalten der Aufgabe und fragen Sie sich, ob diese Sie weiterbringen.

Wären einheitliche Berufsbezeichnungen innerhalb der Branche vielleicht erstrebenswert?

Das ist weder praktikabel noch sinnvoll. Die Welt der PR ist so vielfältig, dass jeder Versuch zur Vereinheitlichung an der Komplexität der Praxis scheitern würde. Außerdem gibt es „die Branche“ nicht, da PR ein branchenübergreifendes Berufsfeld ist und sich Titel an den Gepflogenheiten der jeweiligen Branche des Arbeitgebers orientieren. Wenn überhaupt, könnte eine Standardisierung nur für Agenturen angewandt werden, und selbst dort hat „die Branche“ noch keine sinnhafte Lösung gefunden.

Erschienen im pressesprecher / 09-2013 (Interview: Judith Schuldreich)

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