Automatisiertes Recruiting in der PR führt zu Bottlenecks

Die Digitalisierung verändert auch das Recruiting. Werden bald Maschinen über Personaleinstellungen entscheiden? Und wie können Unternehmen Digital Natives bei der Stange halten? TREIBSTOFF sprach mit PR-Headhunter Ulrich Schuhmann über die Suche nach Personal in Zeiten von Arbeit 4.0.

TREIBSTOFF: Wie verändert die Digitalisierung das Recruiting?

U. SCHUHMANN: In vielerlei Hinsicht: technologisch und inhaltlich-qualitativ. Es gilt zum einen, die vielfältigen technologischen Möglichkeiten sinnvoll in den Recruitingprozess zu integrieren. Zum anderen darf man sich nicht zu sehr zum Sklaven von Algorithmen machen. Bei Personalentscheidungen müssen Menschen weiter an den entscheidenden Stellen involviert sein und mit einer durchaus neu gedachten, professionellen und objektivierten Herangehensweise die Entscheidungen treffen.

Inwiefern werden kollaborative Fähigkeiten immer wichtiger?

Kollaboration spielt im Zeitalter fluider Teams und disziplinübergreifenden Strukturen eine entscheidende Rolle. Wir verstehen darunter eine Fülle von Eigenschaften, die Mitarbeiter befähigen, ihr Wissen und Können zum Nutzen des gesamten Teams einzubringen. Das war schon immer so, kam in der Vergangenheit aber häufig aufgrund starker Abgrenzung der „Bereichssilos“ zu kurz.

Welche Kriterien muss ein Arbeitgeber erfüllen, um PR-Einsteiger für sich gewinnen und halten zu können?

Interessante, spannende und abwechslungsreiche Tätigkeit, rasch eigenverantwortliches Arbeiten, um sich weiterzuentwickeln, Flexibilität in der Gestaltung der Arbeitsleistung – um einige der häufigsten Punkte zu nennen. Die „Jungen“ werden schneller ungeduldig, wenn sie das Gefühl haben, die Arbeit beginnt zur Routine zu werden.

Welche Faktoren führen bei PRlern am häufigsten zu Frust?

Zu enge Gestaltungsmöglichkeiten, fehlende Karriere- oder Gehaltsschritte und – wenig überraschend – ein zu wenig wertschätzender Führungsstil des Vorgesetzten. Mehr als die Hälfte möchte aber nicht aus Frust wechseln. Karriereaspekte wie eine monetäre oder inhaltliche Weiterentwicklung spielen ebenso eine Rolle wie persönliche Gründe, etwa der Wunsch, in einer anderen Region zu arbeiten, oder Unternehmensgründe wie Management- oder Gesellschafterwechsel. Oder eine anstehende Umstrukturierung.

Sie kritisieren, dass Unternehmen zu wenig nach dem Potenzial des Bewerbers entscheiden. Und plädieren für eine Entautomatisierung des Recruiting-Prozesses.

Potenziale sind bei modernen Wissensarbeitern wichtiger geworden, weil sie sich fast alle Informationen leicht beschaffen können. Es kommt also darauf an, dass sie eine hohe soziale und Problemlösungskompetenz besitzen. Wer sich bei der Personalauswahl ausschließlich auf automatisierte Prozesse verlässt, läuft Gefahr, Potenziale zu übersehen. Woran soll eine Bot-Software aus einem CV erkennen, welche Potenziale ein Bewerber hat? Wenn das Stellenprofil fünf Jahre Führungserfahrung fordert, fällt jemand mit zwei Jahren durch, auch wenn er – im Gegensatz zum erfahreneren Kollegen – sehr erfolgreich geführt hat. Für die gesuchten High Potentials stellen solche Prozesse deshalb ein Bottleneck dar.

Wenn es um leitende Positionen geht, ist der Frauenanteil in der PR überschaubar. Wie kann sich das ändern?

Dies ändert sich bereits täglich. Wenn unsere Kunden Wünsche zum Geschlecht äußern, so ist das in den meisten Fällen eine Frau. Das gilt auch für Führungspositionen. Es wird natürlich noch dauern, bis hier ein Gleichgewicht hergestellt ist, vor allem in der Industrie. In Agenturen sieht es heute schon anders aus. Schauen Sie sich das Pfeffer-Ranking an, dort haben bei den größten Agenturen Frauen im Management die Augenhöhe nahezu erreicht.

Was halten Sie von Bewerbungen ohne Foto oder Nachnamen?

Wir diskutieren dies häufig und sehen durchaus die Vor- und Nachteile. In der von viel Internationalität geprägten PR ist nach unserer Wahrnehmung der Name kein Grund für eine Diskriminierung. Das Foto spielt in der Tat – bewusst oder unbewusst – eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Vorauswahl. Wenn ein Arbeitgeber allerdings klare Vorstellungen hat, wie jemand in dieser Position aussehen soll, wird dem Bewerber ein CV ohne Foto nur kurzfristig helfen.

Wie wird das Recruiting in zehn Jahren aussehen?

Es wird sicherlich mehr künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen, die den Recruiter in der Vorauswahl und auch im Prozessverlauf an verschiedenen Stellen unterstützt – etwa in der Analyse von Gestik, Mimik oder Sozialverhalten. Das steigert die Effizienz und sicherlich auch die Entscheidungssicherheit. Ganz bestimmt wird der Mensch als finaler Entscheider (noch) nicht durch eine Maschine ersetzt sein. In einem so menschenorientierten Beruf wie der PR wird die Vollautomatisierung hoffentlich noch lange auf sich warten lassen.

Erschienen im Magazin TREIBSTOFF / 04-2017

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